Natalija Aleksandrova
Übersetzung Jennifer Bender
Übersetzung Jennifer Bender
Im Laufe seiner Evolution hat sich das Verdauungssystem des Pferdes optimal an die Aufnahme und die metabolische Verstoffwechselung von Gras angepasst. Es wandelt das saisonale Angebot an verschiedenen Gräsern in Energie um, die das Pferd als Grundumsatz tagtäglich braucht. Die Darmflora passte sich so dem Nahrungsangebot an, ebenso der Dünndarm, der im Laufe der Zeit immer länger wurde. Das Verdauungssystem von Equiden ist im Grunde deutlich weniger effizient als das von z.B. Wiederkäuern. Es ist darauf ausgelegt, viele Stunden am Tag Nahrung von kargen Weideflächen aufzunehmen, die reich an Ballaststoffen, jedoch arm an Stärke und Eiweiß sind.
Hat das Pferd rund um die Uhr und zu jeder Jahreszeit Zugang zu weitläufigen Wiesen mit einem vielfältigen Pflanzenangebot, dann versorgt es sich instinktiv genau mit den Nährstoffen, die es für die jeweilige Phase des Jahres gerade braucht. Das besonders hochwertige Frühlingsgras bringt Energie für die Paarungszeit und baut die Pferde nach dem Winter wieder auf. Jungen Pferden gibt es die für Wachstum und Entwicklung notwendigen Nährstoffe. Im Sommer und Herbst futtern sich die Tiere eine gewisse Fettschicht an, die ihnen dann über den kargen Winter hilft.
Wenn das Pferd ganzjährig seinen natürlichen Fressgewohnheiten, also dem Grasen, nachkommen kann, besteht niemals die Gefahr eines Überfressens oder einer Intoxikation aufgrund von einem plötzlich zugänglichen Nahrungsangebot, dass dann allzu gierig genutzt wird. Auf naturbelassenen Frühlingswiesen findet sich immer eine Mischung aus neuen frischen Pflanzen und den vertrockneten Gräsern vom Vorjahr. So ergibt sich eine langsame Anpassung des Pferdes an das „fette“ Gras. Wenn im Herbst das Graswachstum stoppt, gewohnt sich der Organismus wiederum an das eher ballaststoffreiche aber nährstoffärmere trockene Gras. Entgegen der landläufigen Meinung beinhaltet aber selbst dieses alte Gras noch Einiges an Energie, und die anspruchsvollere Aufspaltung des harten alten Grases bringt den Stoffwechsel sozusagen „in Wallung“, was die Pferde im Winter warm hält.
Stroh hingegen, lediglich ein argarwirtschaftliches Nebenprodukt, das viele Tiere gerade in der kalten Jahreszeit aus Langeweile in ihrer Box fressen, ist völlig arm an jeglichen Vitaminen und Mineralien.
Die Fermentation von schwer verdaulichen Pflanzenbestandteilen im Darm produziert vermehrt Wärme im Pferdekörper. Trockenes altes Gras, sowie Zweige von Büschen und Bäumen weisen einen deutlich höheren Anteil an diesen Ballaststoffen auf. So ist es für das Pferd sinnvoll, im Sommer das leicht verdauliche Gras zu fressen, weil es so in der warmen Jahreszeit nicht noch zusätzlich die im Körper entstehende Wärme des auf Hochtouren laufenden Stoffwechsels ausleiten muss. Bei kaltem Wetter hingegen werden die Tiere auf natürliche Weise mit innerer Wärme versorgt, wenn sie in erster Linie die schwerer verdaulichen Ballaststoffe aus überständigem altem Gras oder eben auch Büschen aufnehmen.
Wird jedoch die Aufnahme von Gras durch eine zeitliche Beschränkung der Weidezeit reduziert, dann kann dies zu enormen Problemen im Stoffwechsel des Pferdes führen. Es kann sogar geschehen, dass dem gewünschten Effekt, wie Gewichtsreduktion oder Hufrehe-Prävention, entgegen gearbeitet wird! Studien zeigen, dass Pferde, die wissen, dass ihnen nur eine gewisse Weidezeit zur Verfügung steht, in der gleichen Zeit bis zu dreimal so viel fressen wie in der gleichen Zeit bei unbeschränktem Gras-Angebot (P. D. Siciliano). Im Klartext heißt dies, dass ein Pferd mit vier Stunden Weidezeit in der Lage ist, die gleiche Menge an Gras zu fressen, die es sonst in zwölf Stunden aufnehmen würde - in anderen Worten: Es schafft in vier Stunden in etwa das halbe Tagespensum.
Es ist folglich äußerst inkorrekt, zu behaupten, das „Gras schlecht für Pferde ist“. Gras ist DAS natürliche Nahrungsmittel für das Pferd, seit es sich im Laufe der Evolution zu einem durch die Landschaft streifenden, ständig grasenden Steppenbewohner entwickelt hat. Wir müssen uns über die Konsequenzen bewusst werden, die entstehen, wenn der Mensch in den natürlichen Lebenswandel des Pferdes eingreift, um Situationen zu vermeiden, in denen das Gras scheinbar zu einer Gefahr für das Tier wird. Jeder Pferdehalter sollte derlei Fakten wissen, wie zum Beispiel, dass ein eingeschränkter Zugang zum Gras die chemische Zusammensetzung im Magen verändert und so eine optimale Aufspaltung der Nährstoffe verhindert wird, und was es für den Stoffwechsel des Pferdes bedeutet, wenn es ausschließlich auf überdüngten Monokulturen weidet, die eigentlich für Rinder gedacht sind, und das es den Metabolismus des Pferdes schadet, wenn seine Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt werden, usw.
Domestizierte Pferde in natürlicher Haltung. Grasen auf einer naturbelassenen ungedüngten Weide bei Frühlingsbeginn in Lettland:
Die gleichen Pferde nur wenige Tage später im Frühling aufgenommen:
Domestizierte Pferde auf einer nicht gedüngte Weide in Polen:
Przewaski wilde Pferde in der Ukraine. Das Grasen im Sommer:
Konik Polski wilde Pferde . Lettland und Polen. Das Grasen im Sommer:
Artgerechte Haltung von domestizierten Pferden. Grasen im Sommer auf nicht gedüngten Weiden in Lettland:
Natürlich gehaltene Pferde auf einer nicht gedüngten Weide in Norwegen:
Konik Polski wilde Pferde im Herbst. Polen:
Natürlich gehaltene Pferde . Grasen im Winter auf nicht gedüngten Weiden in Polen: